Marius Breucker: Vertragsstrafen und „Abstellungen“ im Profifußball

Woche für Woche kitzeln Fußballtrainer aus ihren Mannschaften das Maximum an Leistungsvermögen heraus – und greifen hierfür auch zu Disziplinarmaßnahmen. Legendär sind Felix Magaths Straftrainingsprogramme mit einer würzigen Mischung aus Liegestützen und Steigerungsläufen. Auch Geldstrafen sind ein probates Mittel, um Spieler zu disziplinieren. „Juristisch handelt es sich um Vertragsstrafen“, erläutert Rechtsanwalt Marius Breucker aus der Stuttgarter Sportrechtskanzlei Wüterich Breucker. „Sie sind nur zulässig, wenn sie im Arbeitsvertrag eindeutig geregelt sind.“

 

Magath Farfan
Trainer Felix Magath ist bekannt für Straftrainingsprogramme mit einer Mischung aus Liegestützen und Steigerungsläufen

Eindeutige vertragliche Grundlage

Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss für jeden Profi erkennbar sein, was er zu tun und zu lassen hat. Bestraft werden darf nur ein Verhalten im Zusammenhang mit der Beschäftigung. Dazu zählen bei Fußballprofis aber nicht nur das pünktliche Erscheinen zu Training und Wettbewerb und die Tätigkeit auf dem Platz, sondern auch eine „sportgerechte Lebensführung“ im privaten Bereich. „Der Sportler muss alles unterlassen, was ihn daran hindert, im Training und Wettbewerb im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein“, erklärt Marius Breucker.

 

Das Arbeitsrecht im Sport

 

Verhältnismäßigkeit

Der Arbeitsvertrag braucht nicht für jedes Fehlverhalten die konkrete Strafe festzusetzen. „Dies wäre angesichts der Vielzahl der Fallgestaltungen gar nicht zu leisten“, sagt Sportjurist Breucker. Die Vereine dürfen aber nur solche Strafen verhängen, die in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten des Spielers stehen. Kommt der Spieler einmal geringfügig verspätet zum Training, rechtfertigt dies keine drakonische Strafe. Auch bei schwereren Verfehlungen sind Geldstrafen in der Regel auf die Höhe maximal eines Monatsgehaltes begrenzt. Entscheidend ist der individuelle Einzelfall, wobei sowohl die Intensität des Verstoßes, als auch das Verschulden des Spielers und frühere Vorfälle sowie Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses in Betracht zu ziehen sind. „Die Vertragsstrafen dienen letztlich dazu, den Spieler zu einem korrekten Verhalten anzuhalten. Sie sollen nicht drakonisch wirken und dürfen nicht in der Absicht erfolgen, ein Exempel zu statuieren“, erklärt Marius Breucker, der gemeinsam mit dem Anwaltskollegen Christoph Wüterich regelmäßig zum Arbeitsrecht im Sport publiziert.

 

„Abstellung“ in die zweite Mannschaft

Wenn mildere Maßnahmen nicht greifen, werden unbotmäßige Spieler gerne auch in das Training der zweiten Mannschaft verbannt. Gegen eine solche „Abstellung“ wehrten sich die Profifußballer Maik Franz und Peer Kluge von Hertha BSC Berlin. Sie wollten sich per einstweiliger Verfügung die Teilnahme am Trainingsbetrieb der ersten Mannschaft erstreiten. Die TSG Hoffenheim gründete in der Saison 2013/14 sogar eigens eine „Trainingsgruppe 2“. Hiergegen wehrte sich Torwart Tim Wiese. Zuständig für solche Verfahren sind die Arbeitsgerichte. Denn auch wenn Fußballprofis teilweise horrende Gelder verdienen, gelten sie rechtlich doch als Arbeitnehmer. „Entscheidend ist die Eingliederung in einen Betrieb und die Weisungsgebundenheit“, sagt Anwalt Marius Breucker, „nicht die Höhe des Verdienstes“. Dieser Grundsatz gilt für alle Mannschaftssportler, also etwa auch im Eishockey, Handball, Volley- oder Basketball.

Bei der „Abstellung“ in die zweite Mannschaft handelt es sich rechtstechnisch nicht um eine Vertragsstrafe. Vielmehr geht es um den vertraglich definierten Tätigkeitsbereich des Spielers: „Die Beschäftigung des Fußballprofis ist eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag“, erklärt Sportrechtsanwalt Marius Breucker. Der Inhalt des Beschäftigungsanspruchs richtet sich in erster Linie nach dem Arbeitsvertrag. Wer ausdrücklich nur für die erste Mannschaft angestellt wird, hat einen Anspruch, auch mit dieser zu trainieren. Einen Anspruch auf Aufstellung im Wettkampf gibt es dagegen nicht, sofern nicht ausdrücklich eine „Stammplatzgarantie“ vereinbart ist. Vielmehr richtet sich die Aufstellung nach der sportlichen Einschätzung des jeweils verantwortlichen Trainers.

Regelmäßig vereinbaren die Vereine im Arbeitsvertrag, dass sie den Spieler bei Bedarf auch im Wettkampf oder Training der zweiten Mannschaft einsetzen können. Diese Regelung ist nach einem Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom Februar 2014 (Aktenzeichen 28 Ga 2145/14) auch dann wirksam, wenn sie als „Blocksatz“ standardmäßig Verwendung findet. Es handelt sich dann zwar um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, für die erhöhte rechtliche Anforderungen gelten. Ein Profifußballer, zumal wenn er durch einen Spielerberater oder Rechtsanwalt beraten und vertreten werde, sei aber nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie ein „normaler“ Arbeitnehmer, entschieden die Berliner Richter.

Dagegen kommt es nach Auffassung der Rechtsanwälte Martin Fröhlich und Ulrich Sittard auf eine Angemessenheitskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht an: Da es sich bei der Arbeitsleistung um eine Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers handle, greifen die besonderen Bestimmungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen gar nicht ein. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Causa Sport“ verweisen Fröhlich und Sittard zudem darauf, dass Fußballprofis nicht generell weniger schutzbedürftig seien als „normale“ Arbeitnehmer. Vielmehr sei insoweit auf den individuellen Einzelfall abzustellen, etwa darauf, ob der Spieler erfahren und im konkreten Fall rechtlich beraten gewesen sei.

Vertraglich kann ein Verein also den Einsatz des in der zweiten Mannschaft vorsehen. Ob dies generell gilt, oder nur dann, wenn die Leistungsstärken der Mannschaften nicht zu stark divergieren, ist umstritten. Sei der Leistungsunterschied zu groß, bestehe „für einen Profispieler die Gefahr, bei der Abstellung in die zweite Mannschaft nicht mehr leistungsgerecht trainieren zu können“, sagen die Rechtsanwälte Thomas Herrich, Johan-Michel Menke und Thomas Schulz in einem Beitrag für die Zeitschrift „Sport und Recht“. Demnach wäre eine Verweisung auf die zweite Mannschaft unzulässig, wenn die erste Mannschaft in der ersten Bundesliga und die zweite Mannschaft unterhalb der Oberliga zum Einsatz kommt. Entscheidend soll es nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster aus dem Jahr 2009 dagegen nicht auf die Ligazugehörigkeit, sondern auf die tatsächlichen Leistungsunterschiede ankommen. „Eine klare arbeitsvertragliche Regelung wird aber immer vorrangig zu beachten sein“, sagt Marius Breucker.

 

„Trainingsgruppe 2“

Während ein vertraglich vereinbarter Einsatz in der zweiten Mannschaft zulässig ist, gilt dies nicht in gleicher Weise für eine eigens gegründete „Trainingsgruppe 2“: Das Arbeitsgericht Mannheim entschied im August 2013 (Aktenzeichen 10 Ga 3/13), dass eine solche, vertraglich nicht vorgesehene Trainingsgruppe dem Beschäftigungsanspruch des Spielers widerspricht: Ein Fußballprofi müsse Gelegenheit haben, Training und Wettkämpfe in einem leistungsgerechten Umfeld auszuüben. Dies kann zwar, wenn vertraglich vereinbart, auch die zweite Mannschaft sein. Der Spieler muss dann aber in den „normalen“ Trainings- und Wettkampfbetrieb der zweiten Mannschaft eingegliedert werden. Die eigens gebildete „Trainingsgruppe 2“ erfüllte diese Anforderungen nach Meinung der Mannheimer Richter nicht: Zwar erfolgte ein Training durch qualifiziertes Personal in professionellem Umfeld; die „Trainingsgruppe 2“ hatte jedoch keine Chance, an „echten“ Testspielen gegen andere professionelle Mannschaften teilzunehmen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts schuldet der Arbeitgeber einem Berufsfußballspieler aber nicht nur eine qualifizierte Trainingsmöglichkeit, sondern zusätzlich die Chance, „die vorhandenen, erworbenen und antrainierten Fähigkeiten auch in einem qualifizierten Spieleinsatz einzusetzen“. Die von Tim Wiese beantragte einstweilige Verfügung erließ das Arbeitsgericht gleichwohl nicht: Eine solche Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes sei nur in Eilfällen geboten. Ein solcher liege aber nicht vor, da ein vorübergehender Verzicht auf Wettspieleinsätze dem Spieler keine unwiederbringlichen Nachteile bringe. Er könne seine Ansprüche auf dem normalen Rechtsweg geltend machen.

stadium-181457_640

Weisungsrecht des Trainers

Die sportliche Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Spieler im Wettkampf zum Einsatz kommt, bleibt in der Verantwortung des Trainers. „Arbeitsrechtlich übt der Trainer damit das Weisungsrecht des Vereins aus“, erläutert Anwalt Marius Breucker. Wenn aber dem Spieler durch Einteilung in eine „Trainingsgruppe 2“ von vorherein die Chance genommen wird, an qualifizierten (Test-) Spielen teilzunehmen, so verstößt dies gegen den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch.

 

Zeitlicher Geltungsbereich des Arbeitsvertrages

Regelmäßig sehen die Arbeitsverträge eine Gültigkeit für eine bestimmte Liga vor, zum Beispiel für die erste oder zweite Bundesliga. „Damit wird nur der zeitliche Geltungsbereich des Arbeitsvertrages geregelt, nicht das konkrete Einsatzgebiet des Spielers“, so Anwalt Marius Breucker. Wer also „Gültigkeit für die erste Liga“ vereinbart, dessen Vertrag gilt solange die erste Mannschaft auch tatsächlich in der ersten Liga spielt. Im Falle des Abstiegs der ersten Mannschaft endet der Vertrag. Dies schließt aber nicht aus, dass der Spieler bis zu diesem Zeitpunkt auch in der zweiten Mannschaft des Vereins eingesetzt wird, sofern dies vertraglich vorgesehen ist. „Vereine und Spieler sollten daher die zeitliche Geltung des Vertrages und das Einsatzgebiet des Spielers deutlich voneinander trennen und jeweils unmissverständlich regeln“, empfiehlt Marius Breucker.

 

Weitere Informationen über Dr. Marius Breucker und zum Thema „Vertragsstrafen und „Abstellungen“ im Profifußball“ sind auf:

https://de.linkedin.com/pub/marius-breucker/5b/205/61a

und

de.slideshare.net/MariusBreucker

Hinterlasse einen Kommentar